Zwischen den Welten (2)

Jetzt machen wir uns also auf den Weg zu den neuen Ufern der agilen Entwicklung. Unsere Firma soll ein Technologieunternehmen werden, dass man in einem Atemzug mit Google, Amazon, Microsoft und Apple nennt (kleine Randbemerkung: Keine dieser Firma ist mehr wirklich hip – sie sind nur sagenhaft erfolgreich, aber Innovation passiert längst woanders).

Aber natürlich würden wir uns unwohl fühlen, wenn wir alle überkommenen Methoden über Bord werfen würden – schließlich haben sie uns so viele Jahre gute Dienste geleistet.

So ähnlich muss es sich angefühlt haben, als der Erfinder des Rads vorgeschlagen hat, einen Karren mit zwei Rädern darunter zu bauen statt schwere Lasten weiterhin zu tragen oder über Rundhölzer zu schieben.

„Was für eine vermessene Forderung! Schau Dir mal die Pyramiden an! Hätten wir vielleicht mit dem Bau warten können, bis Dein Ochsenkarren tatsächlich produktionsreif ist?“

Und deshalb nutzen wir natürlich in unserem Technologieunternehmen 2.0 (allein diese pseudo-hippe Nummerierung ist schon ein Ausbund an Peinlichkeit) natürlich die bekannten und bewährten Bezahl- und Bewertungssysteme. Boni bekommen also die TopPerformer, und wer aus der Reihe tanzt, verdient dann eben auch entsprechend weniger.

Gut, im Lehrbuch steht zwar, dass in einem agilen Team eigentlich alle gleich wichtig sind und dass eine Vielfalt von individuellen Qualitäten besonders wünschenswert ist; aber für unser Bewertungssystem nehmen wir natürlich doch am liebsten die Kategorien her, die schon bei Jack Welch zum Gerangel an den Futtertrögen geführt haben. Es kann doch so falsch nicht sein, zwischen den Teammitgliedern ein gesundes Maß an Wettbewerb und Missgunst zu befördern.

Oder eben doch? Wie soll denn ein Team (noch dazu mit ständig wechselnder Zusammensetzung) eine gute gemeinsame Leistung erzielen, wenn jeder vor allem darauf bedacht sein muss, seinen Beitrag besonders herauszustellen (oder die der anderen herabzuwürdigen)? Die Brötchen beim Bäcker werden ja auch nicht dadurch besser (bzw. besser verkauft), dass derjenige, der überproportional viele Mehlsäcke geschleppt hat, anschließend einen Bonus bekommt – den wo möglich derjenige, der gerade ein neues Rezept für Muffins entwickelt, von seinem Lohn abgezogen bekommt.

Zwischen den Welten (1)

Viele große Unternehmen – insbesondere in Branchen, die im weitesten Sinne Technologie-orientiert sind – spüren gerade einen eiskalten Wind im Genick: Ein Umbruch steht offenbar kurz bevor, wenn die Babybommer, die das Unternehmen aufgebaut haben, in ihren wohlverdienten Ruhestand wechseln und die Generation X/Y/Z das Ruder übernehmen soll.

Aber es wird nicht nur ein personeller Umbruch sein, sondern auch einer der Arbeitsmethoden: Groß wurde man mutmaßlich durch Methoden aus den Anfängen der Industrialisierung: Fließband-Fertigung, Softwareentwicklung nach dem Wasserfallmodell, Skalierung und Prozessoptimierung. Doch nun predigen die Unternehmensberater Teamwork, agiles Arbeiten, flache Hierarchien, Flexibilität für Arbeitszeit und Arbeitsort.

Wie dies zusammenbringen? Wenn doch die jahrzenhtelange Erfahrung lehrt, dass das alte Modell ordentlich funktioniert hat und man die Kunden durchaus dazu erziehen kann, dass sie ihr Auto nur in drei verschiedenen Ausstattungsvarianten bestellen können oder dass sie die nächste Version der monolithischen Software auch wieder kaufen müssen, weil die Datenformate proprietär sind und eine Ablösung viel zu teuer wäre.

Als erstes ändere man einfach die Marketingpräsentationen und schreibe überall hinein, dass der Kunde (und nicht die effiziente, kostengünstige Produktion) im Mittelpunkt steht; dann verordne man der Entwicklung irgendein Modell aus dem „Agile“-Katalog (gerne mit Scrum, Kanban oder anderen Wörtern, die nur für Insider eine Bedeutung haben) – und dann hoffe man darauf, dass diese kosmetischen Änderungen kreative, motivierte (und preisgünstige) junge Mitarbeitende anziehen, mit denen man dann einfach die eingefahrenen Arbeitsmethoden ins nächste Jahrzehnt retten kann.

Schade nur, dass die Jungen den Etikettenschwindel schnell durchschauen werden; und auch die Kunden lassen sich nicht beliebig lange mit vollmundigen Versprechen besänftigen, denen keine Leistung folgt.

Künstliche Dummheit

Alle Welt redet gerade über die überraschenden Möglichkeiten, die der Chatbot chatGPT eröffnet: Artikel können automatisch erstellt, Texte zusammengefasst, Dialoge mit bester Smalltalk-Qualität geführt werden. Dass dabei nicht immer nur literarische Brillianten zutage gefördert werden sondern mitunter auch kunstvoll verbrämter Unsinn, liegt eigentlich auf der Hand, denn chatGPT nutzt als Wissensquelle ja genau die Texte, die man ihm zum Lernen zur Verfügung stellt – und da gibt es eben zu jedem klugen Satz auch mindestens einmal das Gegenteil.

Viel interessanter wäre es, ob chatGPT ganz gezielt solchen Unsinn erzeugen kann – ob man also dieses Tool z.B. auch dazu einsetzen könnte, Ansprachen von Personalplanern zu schreiben, der gerade den nächsten Personalabbau begründen müssen; oder Sprechkärtchen für Vorgesetzte, die trotz steigender Unternehmensgewinne argumentieren müssen, dass Mitarbeiter keine Gehaltserhöhung bekommen können.

Anders ausgedrückt: Kann künstliche Intelligenz natürliche Dummheit ersetzen?

Da machen wir uns Gedanken darüber, welche Jobs möglicherweise durch künstliche Intelligenz wegoptimiert werden könnten und trauern den Geistesarbeitern in Redaktionen und Lektoraten nach – dabei fallen vielleicht nur genau die wenig produktiven Jobs weg, deren sinnfreien Ergüssen sowieso niemand zugehört oder geglaubt hat (von Querdenkern oder Managementberatern vielleicht mal abgesehen).

Was für eine schöne Utopie!

Nur wird leider vermutlich die bereits existierende natürliche Dummheit genau diese Form ihrer Selbstvernichtung verhindern…

Eine Idee

die mir schon seit zwei Jahren durch den Kopf geht und nun, da die Krise verursacht durch das Corona-Virus zu einem globalen Umdenken in vielen Bereichen führt, plötzlich eine Chance auf Verwirklichung hat:

  • zukünftig werden möglicherweise 25% der Arbeitnehmer von ihrem neuen Rechtsanspruch auf Homeoffice Gebrauch machen
  • zugleich wird die Bedeutung der digitalen Infrastruktur für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und der Gesellschaft schlagartig unter Beweis gestellt
  • Doch Homeoffice wirft auch Probleme im zwischenmenschlichen Bereich auf – vom Dichtestress zuhause bis zu mangelnden Sozialkontakten.
  • Es zeigt sich, dass Verkehrsflüsse nicht mehr vorrangig auf das Einkaufen und den Arbeitsweg hin optimiert werden müssen, sondern viel mehr auf die Versorgung der Haushalte.
  • Die Logistik im Sinne eines Just-in-Time-Transports für die Produktion darf nicht länger die Straße zum kostenlosen Zwischenlager machen.

Hier sehe ich enorme Potentiale in der Schaffung lokaler Kleinstzentren angelehnt an den Gedanken des „Supermarktes auf der grünen Wiese“:

Ein ebenerdiger Supermarkt mit zugehörigem Kundenparkplatz wird überbaut mit einem Coworking Space, der über eine Internetplattform halbtagesweise und in verschiedenen Stückelungen gebucht werden kann. Dort stehen Video Conferencing, Virtual Reality und Teamarbeitsmöglichkeiten zur Verfügung, die für anspruchsvolle Einzelarbeit ebenso wie für Meetings genutzt werden können. Zugleich können hier bspw im ländlichen Raum Präsenzsprechstunden eines Arztes oder des Bürgerbüros eingerichtet werden. Neben dem Markt befindet sich eine generische Packstation u.a. auch mit temperierten Bereichen, in der sich Versandhändler und Lieferdienste nach Bedarf einmieten können. Bei entsprechender Größe der Anlage wäre sogar noch eine Halbtagskinderbetreuung angliederbar, und auch lokale Buslinien würden dort eine Haltestelle haben.

So würde die Notwendigkeit vieler Fahrten in den Innenstadtbereich entfallen, Lieferdienste würden nicht mehr die Spielstraßen der Vorstädte verstopfen und es entstünden kleine lokale Zentren, die relativ autark – evt. sogar versorgt mit regenerativen Energien – existieren könnten.

Luxus

Was für ein unglaublicher Luxus, im Urlaub nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu hetzen, sondern sich mit einem Feuilleton in die Sonne zu setzen und mit den Augen anderer Menschen auf unsere Kultur zu schauen – auf das, was unser Menschsein also eigentlich ausmacht.

Eine ganz besondere Form des Luxus ist es überdies, wenn dieses Feuilleton (der zeitlichen Enge des normalen Lebens geschuldet) nicht aus der aktuellen Ausgabe der Zeitung stammt, sondern vielleicht schon Monate alt ist. Wenn man also den Blick auf eine Welt erhält, die sich inzwischen schon wieder weitergedreht hat, in der manche Voraussagen eingetroffen, andere auf das Schlimmste übererfüllt, wieder andere weit verfehlt wurden. In der noch über den künftigen französischen Präsidenten gemutmaßt wird, wähend Manuel Macron schon längst seinen Antrittsbesuch gemacht hat.

Vielleicht sollte man generell die Zeitung von heute erst einmal für ein paar Wochen oder gar Monate reifen lassen; mehr noch als es eine Wochenzeitung ohnehin schon tut, selbst noch mehr als eine Monatsausgabe. So erlebte man viel eher, wie wenig unsere Sorgen gerechtfertigt sind – oder wie wenig Einfluss wir leider dann doch auf die Weltenläufte haben. Und ein weiterer unschätzbarer Vorteil wäre, dass wir uns als Leser vielleicht schon ein eigenes Urteil gebildet haben, das wir dann gegen das des Kolumnisten stellen können – statt wie so oft nur die Nachricht zur Kenntnis zu nehmen.

Vielleicht ein guter Vorsatz für die Zeit nach der Rückkehr aus dem Urlaub – oder doch nur eine verschwurbelte Idee eines von Urlaubssonne geblendeten Geistes…

Business as usual

Business as Usual: Das ist wohl so ungefähr die langweiligste Aufgabenbeschreibung, die man sich für einen aufstrebenden Mitarbeiter vorstellen kann. “As Usual”, das riecht so überhaupt nicht nach Herausforderung, salzigem Wind um die Nase ganz vorne am Bugspriet, Kampf gegen das Unbekannte, Kartieren der weissen Flecken in der Unternehmenslandschaft. Stattdessen: Unternehmensbewohner, die eigene Kaffeetasse, der verstaubte Ficus benjamini neben dem durchgesessenen Drehstuhl und der Tankstellenkalender mit den Ferienterminen an der Wand.

Dabei steht “Business as Usual” doch eigentlich genau für den Bereich, der die Überschüsse erwirtschaftet, mit denen dann die Projekte mit dem echten Sexappeal finanziert werden können. Verheerenderweise steht er leider auch allzu oft für den Bereich, in dem am ehesten der Rotstift angesetzt wird; dort kann man ja schnell mal ein paar Stellen einsparen – oder besser noch: Outsourcen an billige Unterauftragnehmer mit Mitarbeitern in gänzlich anderen Zeitzonen, die nicht nach 40 Stunden Woche oder 30 Urlaubstagen im Jahre fragen. Indien, Du gelobtes Land aller Effizienzoptimierer; gäbe es Dich nicht, man müsste Dich erfinden.

Doch halt: Das langweilige “Business as Usual” ist oft genug genau das, mit dem die Kunden am ehesten Kontakt haben. Rekorde bei den Datenübertragungsraten freuen vielleicht die Pressesprecher, Technikaffinen oder Shareholder, aber die korrekte und pünktliche monatliche Abrechnung, die gute Beratung im Geschäft oder die schnelle und ggf. kulante Lösung von Kundenproblemen sind letztlich das, was die Kunden bindet. Und an dieser “Front” gibt es genug Menschen, die keine Unternehmensbewohner, sondern mit Herzblut bei der Sache sind. Ihnen ist “Business as Usual” eine tägliche Verpflichtung, nicht eine tägliche Bürde, ihre Motivation ist nicht “Usual”, sondern “Unusual”.

Vielleicht wäre es an der Zeit, sie als Stütze des Unternehmens, und nicht als Ballast zu empfinden und zu würdigen.

Joker

JokerIch liebe Kino!

Ich liebe es, wenn die Hände feucht werden und sich in die Armlehnen krallen, weil einen die Spannung fesselt. Ich liebe es, die Konflikte des Helden mit zu erleben und zu durchleiden, weil ich weiß, dass irgendwann der Nachspann kommt, das Licht im Saal wieder angeht und wir alle über die Popcorn-Reste und leeren Pappbecher hinweg aus dem Saal zurück in die Realität torkeln – vielleicht nachdenklich, vielleicht geläutert, auf jeden Fall aber gut unterhalten. Weiterlesen

Schizophrenie

Schizophrenie(von griechisch σχίζειν s’chizein „abspalten“ und φρήν phrēn „Seele, Zwerchfell“) ist eine schwere psychische Erkrankung. Sie ist durch Störungen des Denkens, der Wahrnehmung und der Affektivität gekennzeichnet. (Wikipedia)

Schizophrenie ist aber oft auch der Zustand, in dem Mitarbeiter eines Unternehmens zu leben gezwungen sind, das nach außen als kundenorientiert auftritt, nach innen aber den Zwang zu unbedingter Sparsamkeit propagiert. Weiterlesen